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ICH, DER ZÄHMER MEINER SELBST …
Als ich ihn zum ersten Mal traf, hatte er bereits alle Falten der Zeit im Gesicht. Er beklagte sich, dass er viel zu tun habe.
Ich fragte ihn, wie das möglich sei – in seiner Einsamkeit so beschäftigt zu sein?
Er antwortete:
„Ich muss zwei Falken zähmen, zwei Adler trainieren, zwei Kaninchen bändigen, eine Schlange bewachen, einen Esel tragen und einen Löwen beherrschen!“
Verwundert sah ich mich um und sagte:
„Ich sehe weit und breit keine Tiere. Wo sollen die denn sein?“
Er erklärte mit einem ruhigen Lächeln:
„Diese Tiere hat jeder Mensch in sich!“
„Die beiden Falken stürzen sich auf alles, was sich bewegt – Gutes wie Schlechtes. Ich muss sie lehren, sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das sind meine AUGEN.
Die Adler schlagen mit ihren Krallen oft unbedacht zu. Ich muss sie trainieren, damit sie handeln können, ohne zu verletzen. Das sind meine HÄNDE.
Die Kaninchen wollen immer nur dorthin, wo es angenehm ist. Sie fliehen vor Schwierigkeiten und meiden jede Anstrengung. Ich muss sie dazu bringen, auch dann standzuhalten, wenn es unangenehm oder mühsam wird. Das sind meine FÜSSE.
Am schwierigsten ist es, die Schlange zu bewachen. Obwohl sie in einem Käfig mit 32 Stäben gefangen ist, versucht sie bei jeder Gelegenheit zu beißen und zu vergiften. Wenn ich sie nicht im Auge behalte, richtet sie Schaden an. Das ist meine ZUNGE.
Der Esel ist störrisch und hat wenig Lust, seine Pflicht zu erfüllen. Er klagt über Müdigkeit und weigert sich, die Last des Alltags zu tragen. Das ist mein KÖRPER.
Und schließlich der Löwe – er will stets König sein, im Mittelpunkt stehen, bewundert werden. Er ist stolz und eitel. Das ist mein HERZ.“
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